Die in Briefkästen von privaten Haushalten eingeworfene Werbe- und Informationspost soll durch ein sogenanntes „Opt-In“ („Bitte Werbung“-Aufkleber) nahezu verboten werden. Eine halbe Millionen Arbeitsplätze sind in Gefahr. Die Recyclingquote von Druckpapier in Deutschland liegt bei 83,3 Prozent. Daher wird mit dem Werbeverbot kein einziger Baum gerettet. Der aktuelle „Opt-Out“-Hinweis am Briefkasten mit „Bitte keine Werbung“-Aufkleber hat sich bewährt und reicht aus. Ein zukünftiger Aufkleber mit “Bitte Werbung” würde ein aktives Handeln erfordern und daher nur sehr selten am Briefkasten angebracht, was einem Werbeverbot gleich kommen würde. Das motio-Netzwerk stellt sich hinter die Forderung des bvdm, es bei der derzeitigen Regelung zu belassen.
500.000 Beschäftigte sind derzeit in Deutschland an der Herstellung von Werbe- und Informationspost beteiligt – von der Papierproduktion bis zur Zustellung. Damit ist dieser Industriebereich ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Es sind die Mitarbeiter in Papierfabriken, bei Papiergroßhändlern, die Beschäftigten in den Druckbetrieben, aber auch Fotografen und Grafiker, die mit ihrem Job ganze Familien ernähren. Wir setzen uns auch für die vielen Verteiler ein, überwiegend 450 € Kräfte. Die Einschränkung der Werbefreiheit trifft besonders Schüler, Studenten und Geringverdiener.
Werbe- und Informationspost stärkt das örtliche Gewerbe und fördert den nachbarschaftlichen Zusammenhalt. Für Millionen Menschen ist sie eine relevante Informationsquelle für Sonderangebote, Dienstleistungen sowie soziale, kulturelle und gemeinnützige Aktivitäten und damit alltäglicher Wegbegleiter.
Die im Wirtschaftsverband Kopie & Medientechnik e.V. (motio-Netzwerk) organisierten inhabergeführten Familienbetriebe des Digitaldruck-Dienstleistungsgewerbes wehren sich gegen die Pläne der Politik zur Abschaffung des Opt-Out-Verfahrens. Der 1913 gegründete Branchenverband ist mit 250 Standorten in Deutschland vertreten. Vorsitzender Wolfgang Leibig und Geschäftsführer Achim Carius unterstützen die Initiative des Bundesverband Druck & Medien, die sich gegen eine Änderung der Opt-Out-Regel wehrt.
Zum Hintergrund (Quelle Bundesverband Druck und Medien e.V., bvdm):
Werbe- und Informationspost ist nachhaltig
Was vielen Menschen unbekannt ist: Werbe- und Informationspost ist ein sehr nachhaltiges Informationsmittel. Es wird ganz überwiegend aus Altpapier hergestellt und wird auch wieder zu Altpapier – dem Hauptrohstoff für die erneute Produktion von grafischen Papieren, Verpackungs- und Hygienepapieren. Dank der effizienten Kreislaufwirtschaft liegt die Recyclingquote von Druckpapier in Deutschland bei 83,3 Prozent. Wenn für die Produktion von Papier Frischfasern benötigt werden, stammen diese überwiegend aus Durchforstungsholz und Sägewerksabfällen – nicht aus Stammholz ausgewachsener Bäume, wie häufig behauptet wird. Stammholz ist zu wertvoll für die Papierproduktion und wird vornehmlich zum Bau von Häusern und Möbeln genutzt.
Opt-Out-System funktioniert
In einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für die Initiative geben 75 Prozent der Haushalte an, mit dem bestehenden Opt-Out-System zufrieden zu sein. Dieses sieht vor, dass alle Bürgerinnen und Bürger Werbe- und Informationspost auf freiwilliger Basis empfangen. Wer das nicht möchte, kann die Zustellung mit einem „Bitte keine Werbung“-Aufkleber am Briefkasten auf einfache Weise zurückweisen.
Die Druck- und Medienverbände setzen sich für den Erhalt von Opt-Out ein. Zuletzt wurde das bestehende System durch eine geforderte Opt-In-Regelung zur Disposition gestellt. Dies würde bedeuten, Haushalte erhalten Werbe- und Informationspost nur noch, wenn sie diese mit einem „Bitte Werbung“-Aufkleber aktiv einfordern.
Dr. Paul Albert Deimel, Hauptgeschäftsführer des bvdm, erklärt: „Das Opt-Out-System hat sich für Werbende und die Verbraucherinnen und Verbraucher seit mehr als 30 Jahren sehr gut bewährt. Wir sind der Ansicht, dass jeder Haushalt freiwillig entscheiden soll, ob er Werbe- und Informationspost erhalten möchte. Deshalb widersprechen wir einer regulatorischen Umstellung ausdrücklich.“
Zusätzlich hat die Corona-Pandemie dem stationären Handel und der Gastronomie wirtschaftlich massiv geschadet. Um das lokale Gewerbe zu fördern, müssen Angebote die Kundschaft weiterhin zielgerichtet und niedrigschwellig erreichen. Das leistet gedruckte Werbe- und Informationspost. Die Unterstützung der lokalen Wirtschaft hält Innenstädte lebendig und lebenswert. Auch das gesellschaftliche Miteinander hat unter Corona gelitten. Jetzt, wo der soziale Austausch ebenfalls einen Aufschwung erlebt, bringen Informationsblätter von gemeinnützigen Akteuren, Nachbarschaftsinitiativen oder Sportvereinen Menschen wieder zusammen.
Ein wichtiger Baustein der Werbefreiheit
„Mit gedruckter Werbepost kommunizieren zu können, ist ein fester Bestandteil der Werbefreiheit. Die Forderung nach Opt-In ist dagegen ein direkter Angriff auf den freien Austausch von Informationen. Die Entscheidungen unserer zukünftigen Regierung zu diesem Thema müssen auf fundierten Fakten basieren statt auf unseriösen und nicht belegten Behauptungen. Die Politik darf der gedruckten Werbe- und Informationspost keinen Riegel vorschieben“, betont Dr. Deimel.
Auch das Ausweichen auf digitale Werbung ist keine Alternative – sowohl für die Werbenden wie auch für die Empfängerinnen und Empfänger. 72 Prozent der Werbenden sagen, ohne gedruckte Werbepost im Briefkasten können sie ihre Kundschaft kaum erreichen. Bei den Empfängerinnen und Empfängern bevorzugen sogar 85 Prozent gedruckte Werbepost.
Wie stehen die neuen Regierungsparteien zur Briefkastenwerbung?
Grüne, Linke und auch die SPD stehen der zum marktwirtschaftlichen System gehörenden Werbefreiheit kritisch bis ablehnend gegenüber. Das ist das Fazit der Befragung dieser Parteien durch den Bundesverband Druck und Medien e.V. (bvdm). Während aus dem Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen bereits bekannt war, dass es in der Partei viele Sympathien für die Bestrebungen der Initiative ‚Letzte Werbung‘ zur Einführung eines Opt-in-Verfahrens anstelle des bisherigen und bewährten Opt-out beim Einwurf von Werbepost im Briefkasten gibt, fiel die Antwort der Bundesgeschäftsstelle auf die Frage des bvdm schon fast moderat aus: Man wolle prüfen und mit den betroffenen Verbänden diskutieren, welche Option die bessere sei. Die Linke ging auf die Frage gar nicht erst ein und zeigte nur ein gestörtes Verhältnis zu Werbung insgesamt.
Überraschend die klare Ankündigung der SPD, für die Umstellung auf ein Opt-in-System einzutreten. Begründet wurde diese Position mit erschreckender Unkenntnis: Ein großer Teil der Briefkastenwerbung werde ungelesen entsorgt, die Aufkleber „Keine Werbung“ würden nicht beachtet und diese Form von Werbung sei ökologisch problematisch. „Es ist leider ein Zeichen unserer Zeit, dass falsche Behauptungen und Lügen, die wissenschaftlich oder durch Umfragen nicht belegt werden können, trotzdem von anderen, hier sogar von ernstzunehmenden Kandidaten für den Deutschen Bundestag, übernommen werden. Die zu 60 Prozent von Werbung abhängige deutsche Druckindustrie weiß nun, was sie in dieser für sie existenziellen Frage von einer rot-grün-roten Bundesregierung zu erwarten hätte“, äußert der Hauptgeschäftsführer des bvdm, Dr. Paul Albert Deimel, seine Besorgnis.
FDP und CDU/CSU sehen keine Notwendigkeit, vom bewährten Opt-out-System abzugehen. Doch auch bei ihnen müsse man Zweifel haben, ob sie diese Haltung in einem Koalitionspaket nicht opfern würden, zeigt sich der bvdm skeptisch. (bvdm 1.9.2021)